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13.08.2019 | News

Das wichtigste Projekt: Gemeinsam Knoten lösen

Wolfgang Rabl steht oft auf der Bühne. Hier ist es dann nicht selten seine Aufgabe, schwierige Veränderungsprozesse in Unternehmen im wahrsten Sinne des Wortes zu moderieren. In Unternehmen „alte Zöpfe abzuschneiden“ und neue Strukturen zu etablieren – das ist schon eine Mammutaufgabe. Eine ganz besondere Aufgabe ist es zudem, wenn es darum geht in der fast 2.000 Jahre alten katholischen Kirche eine neue Kultur des Denkens und Handelns zu ermöglichen. Im Interview mit unserem CEO, Wolfgang Rabl, lesen Sie, wie er das Erzbistum Paderborn bei der Organisationsentwicklung des Generalvikariats begleitet hat.

 

Herr Rabl, seit 2016 haben Sie sich intensiv mit der katholischen Kirche im Erzbistum Paderborn beschäftigt. Was genau war bzw. ist Ihre Aufgabe?

Wolfgang Rabl: Das Erzbistum Paderborn hat sich vor einigen Jahren ein Zukunftsbild geschrieben. Auf Basis dieses Zukunftsbil­des entstanden elf Teilprojekte. Eines davon umfasste die Herausforderung, im Rahmen der Bistumsentwicklung die Strukturen des Erzbischöflichen Generalvikariats (EGV) neu zu durchdenken und zu organisieren. In einer Ausschreibung hat unser Unternehmen den Auftrag gewonnen, das EGV auf diesem Weg zu begleiten und zu beraten. Eine zentrale Herausforderung war und ist es, das Gene­ralvikariat „vom Verwalter zum Dienstleister“ weiterzuentwickeln.


Was hat Ihren Beratungsansatz von dem Angebot Ihrer Mitbewerber damals unterschieden?

Wolfgang Rabl: Uns war es wichtig, nicht mit einem fertigen Gesamtkonzept nach Paderborn zu kommen und dieses dann der Verwaltung „überzustülpen“. Eine Organi­sationsentwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess ohne wirkliches Ende, und er kann nur Erfolg haben, wenn er vom sozialen System der Organisation akzeptiert und gelebt wird. Deshalb war es uns wichtig, diesen gesamten Prozess gemeinsam mit den Führungskräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu gehen. Wir haben es den „Weg der kleinen Schritte“ genannt. Das hat die Entscheidungsträger davon überzeugt, uns als Partner auszusuchen.

 

Welche zentralen Aufgaben haben sich dann in den ersten Monaten für Sie herauskristallisiert?

Wolfgang Rabl: Schon während der ersten Treffen entstand das Bild eines roten Wollknäuels als Bild dafür, Knoten zu lösen, welches uns fortan die gesamte Zeit symbolisch begleiten sollte. Es galt auf dem nun beginnenden Weg, gemeinsam viele Knoten zu lösen. Deshalb haben wir auch in diesem Vergleich weitergearbeitet: Knoten identifizieren – Knotenteams – Knoten lösen. Diese Vorgehensweise fand sich im weite­ren Prozess in gleicher Konstellation immer wieder. In der Praxis bedeutete dies, dass wir auf Grundlage des Zukunftsbildes des Erzbistums Paderborn zunächst eine neue Ablauforganisation und Prozesslandkarte für das EGV entwickelten. Unsere nächste Herausforderung lag darin, die Aufbauorga­nisation anzupassen und zu modernisieren. Stetig begleitet hat uns der Strategieprozess mit der Analyse „So sind wir heute“ und der Vision „So sind wir 2024“ sowie die dadurch entstehenden Projekte.

 

Was war die besondere Herausforderung bei der Neuentwicklung des Organisationsdia-gramms für das EGV?

Wolfgang Rabl: Die Grundlage für die Neuorganisation des EGV war eine noch immer geltende Säulenstruktur aus dem Jahre 1974. Die Entscheidungsstrukturen waren im Wesentlichen durch die sogenann­te Hauptabteilungskonferenz geprägt, die in einem recht großen Personenkreis sämtliche Entscheidungen des EGV treffen musste. Diese Wege hielten auf, waren ineffizient und hatten dafür gesorgt, dass die Fachebenen keine eigenständige Verantwortung für Sach­fragen übernehmen konnten, sollten und mussten. Zudem hatten sich über die Jahre hinweg die einzelnen Fachabteilungen auf­grund der Organisationsstruktur voneinander abgegrenzt, sodass auch kaum ein fachüber­greifender Austausch stattfand. Durch eine neue Blockorganisation, die aus den vier Be­reichen Management, Dienste,  Ressourcen und Entwicklung besteht, wurden diese Ver­krustungen aufgebrochen. Die neue Organi­sation ist von einer viel höheren Effektivität, Eigenständigkeit und Eigenverantwortlich­keit der Fachbereiche geprägt. Nur noch grundsätzliche oder strittige Entscheidungen werden auf der Managementebene von einem deutlich kleineren Führungsgremium getroffen und der selbstständige Bereich „Bistumsentwicklung“ signalisiert, dass die Zukunft des Erzbistums und der Weg dorthin von elementarer Bedeutung sind. 


Herr Rabl, kann man das „Unternehmen Kirche“ aufgrund seiner Geschichte, Tradition, Riten und Strukturen überhaupt mit einem „normalen“ Unternehmen in der freien Wirtschaft vergleichen?

Wolfgang Rabl: Ja und nein. Ein wesent­liches Merkmal haben beide Organisationen aus Beratersicht sicherlich gemein und das sind die Machtstrukturen hinter den Kulis­sen, die jeden Veränderungsprozess – egal ob im kirchlichen oder weltlichen Bereich – maßgeblich beeinflussen. Große Unter­schiede haben wir aber zum Beispiel in der Kommunikationskultur der Kirche feststellen dürfen: Die Art und Weise, wie in der Gruppe miteinander umgegangen wird, ist hier deut­lich wertschätzender und von einer sehr viel ausgeglicheneren und kollegialeren Atmo­sphäre geprägt. Außerdem ist die Dringlich­keit, mit der strategische Entscheidungen entwickelt, getroffen und umgesetzt werden müssen, in der Kirche deutlich entspannter als in einem profitorientierten Unternehmen. Hier sind wir oft die „Getriebenen“ und müssen grundsätzliche Veränderungen in wenigen Monaten installieren und zum Erfolg führen.
„Die Art und Weise, wie in der Gruppe miteinander umgegangen wird, ist hier deutlich wertschätzender.“


Als Berater ist die Entwicklung und Steuerung von Veränderungsprozessen in Unternehmen schon eine besondere Herausforderung. Wie kann dieses Ziel einer organisatorischen und zeitgemäßen Erneuerung in und mit der Kirche überhaupt praktisch umgesetzt werden?

Wolfgang Rabl: Veränderungsprozesse, gerade im Rahmen einer Organisationsent­wicklung, sind nie abgeschlossen. So wie sich das Unternehmen oder in diesem Fall die katholische Kirche zum Beispiel durch gesellschaftliche Einflüsse und Realitäten stets entwickelt bzw. verändert, so muss auch der Prozess der Organisationsent­wicklung kontinuierlich angepasst werden und den äußeren und inneren Erfordernissen folgen. Wenn es der Anspruch der katholi­schen Kirche im Erzbistum Paderborn ist, durch Evangelisierung insbesondere in der Qualität zu wachsen, dann muss die Aufbau­ und Ablauforganisation auch des EGV stets in diesem Sinne evaluiert werden.

 

Wenn wir die Kirche als Unternehmen sehen, dann ist eines der größten Probleme momentan sicherlich die „Kundenbindung“. Wie kann die Kirche ihr Alleinstellungsmerkmal wieder hervorheben und sich attraktiver darstellen?

Wolfgang Rabl: Unsere Kernaufgabe war es in diesem Fall, sich vorrangig mit dem EGV als Verwaltungs­ und Dienstleistungs­organisation zu beschäftigen. Aber Sie ha­ben Recht: Man kann diese Herausforderung nie isoliert angehen, ohne die Aufgaben der Kirche vor Ort und die Anforderungen der Gläubigen an die Institution Kirche im Fokus zu behalten. Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass die Bedeutung der Spi­ritualität und eines übergeordneten Sinnzu­sammenhanges für den einzelnen Menschen in den nächsten Jahren noch zunehmen wird. Die Welt wird zu komplex, als dass das einzelne Individuum mit den Herausforde­rungen allein fertig werden könnte. Dies ist meines Erachtens eine große Chance, aber auch eine große Gefahr für die katholische Kirche. Wenn es ihr nämlich nicht gelingt, die Menschen von ihrem „Produkt“ zu be­geistern und ihnen zeitgemäße Antworten und wertvolle Orientierung zu geben, dann besteht in meinen Augen die reale Gefahr, dass die katholische Kirche in der Bedeu­tungslosigkeit versinken könnte.


Welche vorrangigen Ziele würden Sie demnach definieren, wenn man Kirche zukunftssicher verändern will?

Wolfgang Rabl: Eine zeitgemäße und moderne Aufbau­ und Ablauforganisation des EGV ist da sicherlich nur ein nebenge­ordnetes Ziel. Ich denke, dass es der Kirche in einem ersten, dringlichen Schritt wieder gelingen muss, ihre eigenen Amts­ und Würdenträger, die Vertreter von katholi­schen Verbänden und Organisationen und die vielen Ehrenamtlichen und noch immer zahlreichen Kirchenbesucher zu positiven Botschafter der eigenen Überzeugungen und Ziele zu machen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass selbst katholische Einrichtun­gen und Organisationsstrukturen im Moment das „katholisch Sein“ zum Teil verschämt verbergen. Und ich bin sicher, dass ein Pfar­rer in einer Gemeinde durch seine Tätigkeit sehr viel Gutes für die katholische Kirche er­reichen, aber leider auch viel kaputt machen kann. Ich glaube, dass viele Dinge gut durch­dacht sind und hervorragend organisiert werden –, doch ohne eine funktionierende interne Kommunikation über alle Ebenen hinweg und extern bis hinunter zu den Ge­meindemitgliedern und auch Kirchenfernen, bleibt es bei dem „gut gewollt.“ Deswegen würde ich den Entscheidungsträgern gerne ins Stammbuch schreiben: Kommuniziert miteinander, macht die eigenen Leute über alle Ebenen hinweg wieder zu positiven Botschaftern für die katholische Kirche und begeistert so wieder die Menschen.

 

Eine letzte Frage: Sie moderieren gerne Großveranstaltungen – vielleicht würden Sie ja auch gerne einmal in einem voll besetzen Dom predigen. Was würden Sie gerne den Gläubigen mitteilen und wie lautet die Überschrift Ihrer Predigt?

Wolfgang Rabl: Die Antwort fällt mir sehr leicht: Wenn nicht wir, wer dann?  Wenn nicht jetzt, wann dann? Ich glaube die Predigt würde sehr emotionalisieren.

 

 

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