Close the Gap: Was Unternehmen jetzt konkret tun können

12. Dezember 2025

Woman With A Pink Hat And The Text Pay Equal

Österreich zählt mit rund 18 Prozent Lohnunterschied bei den Stundenlöhnen zu den Schlusslichtern im EU-Vergleich. Grund genug, diesem Thema einen ganzen Abend zu widmen: Am 2. Dezember trafen wir uns für unser letztes change:maker und work smarter Event in diesem Jahr online, um den Gender Pay Gap und die EU-Lohntransparenzrichtlinie zu besprechen.

Unsere Prozessexpertin und Senior Consultant Katharina Heger eröffnete den Abend mit einem Eisbrecher: „Worüber habe ich heute gelächelt?“ Oft sind es kleine Momente, wie ein Überraschungsadventkalender vor der Haustür oder eine freundlich weggelächelte schlechte Laune, die uns aufheitern. Nach diesen positiven Impulsen widmeten wir uns den komplexen Themen: gerechte Entlohnung, Transparenz und die Frage, wie wir als Unternehmen jetzt mit der EU-Lohntransparenzrichtlinie umgehen.

Gudrun Gruber, HR Expertin und Beraterin bei „100 Prozent Gleichstellung zahlt sich aus“, führte uns kompetent durch das Thema „Close the Gap“. Sie erklärte uns, was uns erwartet, worauf es ankommt und wo Unternehmen ansetzen sollten.

EU‑Lohntransparenzrichtlinie

Die Richtlinie ist seit Juni 2023 in Kraft und bis Juni 2026 in nationales Recht umzusetzen. Sie stärkt den zentralen Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ und bringt neue Pflichten für Reporting, Bewerbungsprozesse, Gehaltsfestsetzung und Arbeitsbewertung.

Gender Pay Gap

Die Gender Pay Gap-Berichterstattung wird erstmals verpflichtend im Juni 2027 rückwirkend für das Jahr 2026 durchzuführen sein. Demnach sollte die Struktur für das Reporting (z. B. Arbeitswelten/Job Familien, Job Levels/Grades) bereits 2026 vorhanden sein.

Die Reporting sind nach Unternehmensgröße gestaffelt:

  • Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten: jährlich berichten ab 7.6.2027
  • Unternehmen mit 150 bis 249 Beschäftigten: alle 3 Jahre berichten ab 7.6.2027
  • Unternehmen mit 100 bis 149 Beschäftigten: alle 3 Jahre berichten ab 7.6.2031

Transparenz im Recruiting und im Unternehmen

Einstiegsgehälter oder die Entgeltspannen müssen in Ausschreibungen klar erkennbar sein. Zusätzlich erhalten Beschäftigte das Recht auf Auskunft über das durchschnittliche Gehalt der Vergleichsgruppen, nach Geschlecht aufgeschlüsselt. Das setzt definierte Berufsbilder/Job Familien und Levels als Vergleichsgrundlage voraus.

Gleichwertige Arbeit klar beschreiben, statt nach Bauchgefühl gliedern

Die Richtlinie verlangt geschlechtsneutrale Systeme zur Arbeitsbewertung nach klaren Kriterien: Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung, Arbeitsbedingungen. Unser Austausch zeigte, wie wichtig es ist, alle Anforderungen sichtbar zu machen – auch emotionale und koordinierende Arbeit, die oft zugunsten „technischer“ Aufgaben übersehen wird.

Mit der Gegenüberstellung von Pflegefachkraft und Haustechniker:in führte uns Gudrun Gruber das Prinzip der Berufsgruppen vor Augen: Beide Rollen verlangen Qualifikation, tragen Belastungen und Verantwortung, nur in unterschiedlichen Bereichen. Die Arbeitsbewertung muss diese Gleichwertigkeit abbilden, anstatt soziale Berufe automatisch geringer zu gewichten als technische.

Gleichwertige Arbeit klar beschreiben, statt nach Bauchgefühl gliedern
Pflegefachkraft und Haustechniker

Was Unternehmen jetzt vorbereiten sollten

Arbeitsbewertung: Es sollten die Funktionen im Unternehmen erfasst, Berufsbilder geschaffen, unterschiedliche Levels definiert und Gehaltsspannen festgelegt werden. In Berufsbildern werden Funktionen mit ähnlichen Arbeitswelten, Laufbahnen, Arbeitsmärkten, Arbeitsbedingungen, Gehaltssystematiken zusammengefasst.

Mithilfe von Berufsbildlevels können Funktionen mit ähnlicher Komplexität erfasst und Entwicklungsstufen abgebildet werden. Je höher die Anforderungen an eine Funktion und somit ihre Funktionswertigkeit, desto höher ist die Einstufung der Mitarbeiter:innen in das entsprechende Level.
Das mag zunächst nach viel Aufwand klingen, ist jedoch die Grundlage für konsistente Entscheidungen und die Erstellung der gesetzlich geforderten Reports.

Einkommensentwicklung: Aktuelle Vergütungsprozesse müssen überprüft werden, damit Unternehmen weg von Einzelverhandlungen, hin zu objektiven Kriterien kommen. Nur so können strukturelle Verzerrungen verhindert werden. Worauf sich Unternehmen auf jeden Fall einstellen müssen: Für sogenannte Ausnahmen beim Thema Lohn wird es schon bald Erklärungsbedarf geben, wobei die Erklärung fundiert und nachvollziehbar sein muss, um mögliche Strafen abzuwenden.

Unsere Breakouts: Stimmen aus der Praxis

In kleinen Gruppen hatten wir die Möglichkeit, uns zu eigenen Handlungsfeldern im Hinblick auf das Projekt „Vorbereitung auf die EU-Lohntransparenzrichtlinie“ auszutauschen.

Vor allem HR-Verantwortliche fühlen sich mit dem Projekt oft allein gelassen, während die Geschäftsführung das Ausmaß der notwendigen Veränderungen noch unterschätzt.

Manche Unternehmen planen bereits Budgets für Gehaltsanpassungen ein, andere befürchten Kündigungswellen, sobald Ungleichheiten sichtbar werden – insbesondere dann, wenn das Budget für Korrekturen fehlt. In einem Punkt waren sich alle einig: Die Dokumentation von Prozessen ist kein Nebenjob, sondern wird entscheidend dafür sein, ob Argumente vor einer Prüfung standhalten.

Thematisiert wurden auch die Prüfung und Sanktionen zur Umsetzung der Richtlinie. Die Nationalumsetzung der Richtlinie ist noch unklar. Diskutiert wurde eine externe Prüfung (z. B. durch die Wirtschaftsprüfung) und umsatzabhängige Strafen, hier warten wir jedoch auf die österreichische Umsetzung. Das Thema ist somit sehr komplex und gleichzeitig fehlen die konkreten Anhaltspunkte.

Diskriminierung

In Unternehmen können Diskriminierungen in verschiedenen Entgeltbestandteilen entstehen und reproduziert werden.

Das erste Risiko versteckt sich bereits hinter der Lohnverhandlung und der Einstufung. Individuelle Verhandlungen statt objektiver Kriterien bestimmen häufig das Grundentgelt und führen zu unterschiedlichen Einstufungen. Frauen und marginalisierte Gruppen verhandeln jedoch seltener und defensiver. Das führt dazu, dass Gehaltsunterschiede bereits beim Einstieg entstehen.

Auch der Stufenaufstieg birgt Diskriminierungspotenzial. Beförderungen beruhen oft auf subjektiven Einschätzungen der Führungskraft – wer sichtbarer ist, wird eher befördert. Frauen und vor allem Mütter übernehmen häufiger als Männer Betreuungspflichten zuhause und arbeiten dementsprechend öfter in Teilzeit, haben weniger Möglichkeiten, Überstunden zu machen und werden folglich seltener befördert.

Stichwort Überstunden: Wer keine Überstunden machen kann (z. B. wegen Betreuungspflichten), verdient auch weniger. Männer erhalten tendenziell mehr Überstundenvergütung, weil sie auch häufiger Überstunden leisten können. Gleichzeitig erhalten Mitarbeiter:innen, die seltener reisen oder Schichtdienste übernehmen, weniger Zusatzvergütung. Wer weniger präsent ist (z. B. wegen Homeoffice, Teilzeit), bekommt auch seltener Weiterbildungen bezahlt.

Hinzu kommt, dass Leistungsvergütungen/Boni oft auf subjektive Leistungseinschätzungen der Führungskräfte zurückzuführen sind und die systematische Benachteiligung verstärken. Außerdem sind Boni meist an das Grundgehalt gekoppelt, was dazu führt, dass bereits bestehende Unterschiede reproduziert werden. Auch Gewinnbeteiligungen gehen häufiger an Vollzeitbeschäftigte oder bestimmte Führungsebenen. Wer in Elternzeit oder Teilzeit beschäftigt ist (meistens Frauen), profitiert nicht von Unternehmensbeteiligungen.

Diskriminierung
Mann und Frau schauen auf Leitern

Fazit: Transparenz als Betriebssystem

Wenn Vergütung nachvollziehbar wird, werden Diskriminierung auf unterschiedlichen Ebenen, insbesondere aber aufgrund des Geschlechts, vorgebeugt. Wichtig ist jedoch, die Richtlinie nicht nur umzusetzen, weil wir dazu verpflichtet sind, sondern zu verstehen, dass diese Transparenz auch Vertrauensarbeit leistet: Sie schafft klare Karrierewege, verhindert strukturelle Benachteiligungen und macht Entscheidungen anschlussfähig.

Für Unternehmen heißt das, jetzt anzufangen, Arbeit fair und transparent nach Kompetenzen, Belastung, Verantwortung und Arbeitsbedingungen zu strukturieren. Gleichzeitig müssen die Prozesse dokumentiert, kommuniziert und schrittweise verbessert werden.

Key Takeaways

  • 2026 strukturieren, 2027 berichten: Die Richtlinie ist bereits da, die nationale Umsetzung folgt jedoch erst. Ihre Job-Architektur und Gehaltsraster müssen jedoch bereits im Jahr 2026 feststehen, nicht zuletzt, weil Mitarbeiter:innen ab Juni 2026 ein Auskunftsrecht haben.
  • Vergütungssysteme objektivieren: Berufsbilder, Levels, Gehaltsspannen müssen klar definiert werden, damit Unternehmen weg von individuellen Einstiegsverhandlungen, hin zu nachvollziehbaren Kriterien gelangen.
  • Auskunftsrechte vorbereiten: Vergleichsgruppen und Datenbasen sollten so vorbereitet sein, dass Auskünfte zügig erteilt werden können und nicht belastend sind.
  • Bewertungskriterien anwenden: Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung, Arbeitsbedingungen und weitere Faktoren, die für den konkreten Arbeitsplatz oder die konkrete Position relevant sind, sollten im Zuge der Arbeitsbewertung berücksichtigt werden.
  • Frühzeitig kommunizieren: Eine nachvollziehbare Dokumentation (unter anderem von Gehaltsentscheidungen) ist für die Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie zentral. Ebenso wichtig ist die richtige Kommunikation mit Mitarbeitenden, Vertretungen, Behörden und anderen Betroffenen.