Österreich zählt mit rund 18 Prozent Lohnunterschied bei den Stundenlöhnen zu den Schlusslichtern im EU-Vergleich. Grund genug, diesem Thema einen ganzen Abend zu widmen: Am 2. Dezember trafen wir uns für unser letztes change:maker und work smarter Event in diesem Jahr online, um den Gender Pay Gap und die EU-Lohntransparenzrichtlinie zu besprechen.
Unsere Prozessexpertin und Senior Consultant Katharina Heger eröffnete den Abend mit einem Eisbrecher: „Worüber habe ich heute gelächelt?“ Oft sind es kleine Momente, wie ein Überraschungsadventkalender vor der Haustür oder eine freundlich weggelächelte schlechte Laune, die uns aufheitern. Nach diesen positiven Impulsen widmeten wir uns den komplexen Themen: gerechte Entlohnung, Transparenz und die Frage, wie wir als Unternehmen jetzt mit der EU-Lohntransparenzrichtlinie umgehen.
Gudrun Gruber, HR Expertin und Beraterin bei „100 Prozent Gleichstellung zahlt sich aus“, führte uns kompetent durch das Thema „Close the Gap“. Sie erklärte uns, was uns erwartet, worauf es ankommt und wo Unternehmen ansetzen sollten.
EU‑Lohntransparenzrichtlinie
Die Richtlinie ist seit Juni 2023 in Kraft und bis Juni 2026 in nationales Recht umzusetzen. Sie stärkt den zentralen Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ und bringt neue Pflichten für Reporting, Bewerbungsprozesse, Gehaltsfestsetzung und Arbeitsbewertung.
Gender Pay Gap
Die Gender Pay Gap-Berichterstattung wird erstmals verpflichtend im Juni 2027 rückwirkend für das Jahr 2026 durchzuführen sein. Demnach sollte die Struktur für das Reporting (z. B. Arbeitswelten/Job Familien, Job Levels/Grades) bereits 2026 vorhanden sein.
Die Reporting sind nach Unternehmensgröße gestaffelt:
- Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten: jährlich berichten ab 7.6.2027
- Unternehmen mit 150 bis 249 Beschäftigten: alle 3 Jahre berichten ab 7.6.2027
- Unternehmen mit 100 bis 149 Beschäftigten: alle 3 Jahre berichten ab 7.6.2031
Transparenz im Recruiting und im Unternehmen
Einstiegsgehälter oder die Entgeltspannen müssen in Ausschreibungen klar erkennbar sein. Zusätzlich erhalten Beschäftigte das Recht auf Auskunft über das durchschnittliche Gehalt der Vergleichsgruppen, nach Geschlecht aufgeschlüsselt. Das setzt definierte Berufsbilder/Job Familien und Levels als Vergleichsgrundlage voraus.
Was Unternehmen jetzt vorbereiten sollten
Arbeitsbewertung: Es sollten die Funktionen im Unternehmen erfasst, Berufsbilder geschaffen, unterschiedliche Levels definiert und Gehaltsspannen festgelegt werden. In Berufsbildern werden Funktionen mit ähnlichen Arbeitswelten, Laufbahnen, Arbeitsmärkten, Arbeitsbedingungen, Gehaltssystematiken zusammengefasst.
Mithilfe von Berufsbildlevels können Funktionen mit ähnlicher Komplexität erfasst und Entwicklungsstufen abgebildet werden. Je höher die Anforderungen an eine Funktion und somit ihre Funktionswertigkeit, desto höher ist die Einstufung der Mitarbeiter:innen in das entsprechende Level.
Das mag zunächst nach viel Aufwand klingen, ist jedoch die Grundlage für konsistente Entscheidungen und die Erstellung der gesetzlich geforderten Reports.
Einkommensentwicklung: Aktuelle Vergütungsprozesse müssen überprüft werden, damit Unternehmen weg von Einzelverhandlungen, hin zu objektiven Kriterien kommen. Nur so können strukturelle Verzerrungen verhindert werden. Worauf sich Unternehmen auf jeden Fall einstellen müssen: Für sogenannte Ausnahmen beim Thema Lohn wird es schon bald Erklärungsbedarf geben, wobei die Erklärung fundiert und nachvollziehbar sein muss, um mögliche Strafen abzuwenden.
Unsere Breakouts: Stimmen aus der Praxis
In kleinen Gruppen hatten wir die Möglichkeit, uns zu eigenen Handlungsfeldern im Hinblick auf das Projekt „Vorbereitung auf die EU-Lohntransparenzrichtlinie“ auszutauschen.
Vor allem HR-Verantwortliche fühlen sich mit dem Projekt oft allein gelassen, während die Geschäftsführung das Ausmaß der notwendigen Veränderungen noch unterschätzt.
Manche Unternehmen planen bereits Budgets für Gehaltsanpassungen ein, andere befürchten Kündigungswellen, sobald Ungleichheiten sichtbar werden – insbesondere dann, wenn das Budget für Korrekturen fehlt. In einem Punkt waren sich alle einig: Die Dokumentation von Prozessen ist kein Nebenjob, sondern wird entscheidend dafür sein, ob Argumente vor einer Prüfung standhalten.
Thematisiert wurden auch die Prüfung und Sanktionen zur Umsetzung der Richtlinie. Die Nationalumsetzung der Richtlinie ist noch unklar. Diskutiert wurde eine externe Prüfung (z. B. durch die Wirtschaftsprüfung) und umsatzabhängige Strafen, hier warten wir jedoch auf die österreichische Umsetzung. Das Thema ist somit sehr komplex und gleichzeitig fehlen die konkreten Anhaltspunkte.
Fazit: Transparenz als Betriebssystem
Wenn Vergütung nachvollziehbar wird, werden Diskriminierung auf unterschiedlichen Ebenen, insbesondere aber aufgrund des Geschlechts, vorgebeugt. Wichtig ist jedoch, die Richtlinie nicht nur umzusetzen, weil wir dazu verpflichtet sind, sondern zu verstehen, dass diese Transparenz auch Vertrauensarbeit leistet: Sie schafft klare Karrierewege, verhindert strukturelle Benachteiligungen und macht Entscheidungen anschlussfähig.
Für Unternehmen heißt das, jetzt anzufangen, Arbeit fair und transparent nach Kompetenzen, Belastung, Verantwortung und Arbeitsbedingungen zu strukturieren. Gleichzeitig müssen die Prozesse dokumentiert, kommuniziert und schrittweise verbessert werden.
Key Takeaways
- 2026 strukturieren, 2027 berichten: Die Richtlinie ist bereits da, die nationale Umsetzung folgt jedoch erst. Ihre Job-Architektur und Gehaltsraster müssen jedoch bereits im Jahr 2026 feststehen, nicht zuletzt, weil Mitarbeiter:innen ab Juni 2026 ein Auskunftsrecht haben.
- Vergütungssysteme objektivieren: Berufsbilder, Levels, Gehaltsspannen müssen klar definiert werden, damit Unternehmen weg von individuellen Einstiegsverhandlungen, hin zu nachvollziehbaren Kriterien gelangen.
- Auskunftsrechte vorbereiten: Vergleichsgruppen und Datenbasen sollten so vorbereitet sein, dass Auskünfte zügig erteilt werden können und nicht belastend sind.
- Bewertungskriterien anwenden: Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung, Arbeitsbedingungen und weitere Faktoren, die für den konkreten Arbeitsplatz oder die konkrete Position relevant sind, sollten im Zuge der Arbeitsbewertung berücksichtigt werden.
- Frühzeitig kommunizieren: Eine nachvollziehbare Dokumentation (unter anderem von Gehaltsentscheidungen) ist für die Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie zentral. Ebenso wichtig ist die richtige Kommunikation mit Mitarbeitenden, Vertretungen, Behörden und anderen Betroffenen.