Change:maker: Widerstand ist Energie – und keine Blockade

29. Juli 2025

Frau präsentiert

Wo Veränderung passiert, zeigt sich oft Widerstand. Manche ignorieren ihn, andere kämpfen dagegen an. Doch Widerstand ist kein Feind. Er ist ein wichtiges Signal, das deutlich macht, wo Veränderungen ansetzen müssen. Beim letzten change:maker Event am 5. Juni haben wir einen neuen Blick auf Widerstände geworfen und gezeigt, wie sie zum eigenen Vorteil genutzt werden können.

Widerstand im Change-Prozess: Energie statt Blockade

Dennis Preiter, unser Change Management-Experte, eröffnete das Event mit persönlichen Erfahrungen und einem klaren Standpunkt: Widerstand ist Energie, die nicht bekämpft, sondern genutzt werden sollte. Diese These sorgte zunächst für hochgezogene Augenbrauen bei manchen Teilnehmenden. Denn seien wir ehrlich: Widerstand kennen wir meist als das, was uns im Weg steht, was bremst, was nervt. Doch diese traditionelle Sichtweise auf Widerstand als Hindernis führt häufig zu Frust, Selbstsabotage und Qualitätseinbußen.

Drei Herangehensweisen, mit denen sich Widerstand konstruktiv nutzen lässt:

  • Perspektivenwechsel: Neue Sichtweisen entwickeln
  • Widerstandskartierung: Systematische Erfassung und Analyse
  • Energieumleitung: Widerstand als Ressource verstehen
Vom Bulldozer zur Wasser-Philosophie

„Be water, my friend" – Bruce Lees berühmtes Zitat wurde zum roten Faden des Abends. Denn für Dennis ist die Wasser-Metapher eine innere Haltung, die Widerstand in einem neuen Licht erscheinen lässt: Wasser ist nicht nur anpassungsfähig, sondern nutzt den Widerstand zu seinem Vorteil. Es kämpft nicht gegen Hindernisse, sondern fließt drumherum, darüber hinweg oder verändert ihre Beständigkeit mit der Zeit. Das Schöne daran ist: Wasser verliert dabei weder seine eigene Konsistenz noch seine Essenz. Wasser hört nicht auf, Wasser zu sein, nur weil irgendwo ein Stein liegt. Denn Veränderung ist kein Kampf, sondern ein Fließen. Und manchmal sind es gerade die Steine im Flussbett, die dem Wasser seine Richtung und Kraft verleihen. Genau dieser Perspektivenwechsel war der Ausgangspunkt für eine veränderte Denkweise.

 

 
Traditionelle Perspektive Wasser-Philosophie
Widerstand = Blockade Widerstand = ungenutzte Energie
Widerständler:in = Bremser:in Widerständler:in = Richtungsweiser:in
Ziel: Widerstand überwinden Ziel: Widerstand verstehen und integrieren
Strömungskartierung als Wegweiser

Besonders erkenntnisreich war die Vorstellung der Strömungskartierung. Dahinter steckt ein systematisches Vorgehen, mit dem sich Widerstände nicht nur erkennen und dokumentieren lassen, sondern auch als Energiequelle nutzen lassen. Die Methode baut auf Kurt Lewins Kraftfeldmodell und dem ADKAR-Modell auf und lässt sich in vier zentralen Schritten zusammenfassen:

  1. Widerstände beobachten: Wer zeigt Widerstand? Wo und wie?
  2. Intensität bewerten: Wie stark ist der Widerstand? Aktiv oder passiv?
  3. Muster erkennen: Wo häufen sich Widerstände? Wie hängen sie zusammen?
  4. Energiepotenziale identifizieren: Wo liegt ungenutzte Veränderungsenergie?

Diese Kartierungsmethode macht sichtbar, wo sich Widerstände häufen, wie sie zusammenhängen und – das ist das Entscheidende – wo brachliegende Potenziale schlummern. Denn oft verbirgt sich genau dort, wo der stärkste Widerstand herrscht, auch die größte ungenutzte Energiereserve für Veränderung.

Widerstand als Ressource verstehen

Oft sind sichtbare Formen des Widerstands, wie Kritik oder Verweigerung, nur die Spitze des Eisbergs. Darunter verbergen sich meist tieferliegende Ursachen wie Ängste vor Veränderung, Unsicherheiten oder das Gefühl, nicht ausreichend eingebunden zu sein. Solche inneren Spannungen entstehen häufig durch konkrete Auslöser wie Verlustängste, fehlendes Verständnis, negative Erfahrungen oder unklare Kommunikation.

Besonders wichtig ist das Verständnis, dass sich Widerstand in der Regel weder gegen die Veränderung selbst noch gegen bestimmte Personen richtet. Er ist vielmehr Ausdruck von Unsicherheiten, offenen Fragen und unerfüllten Bedürfnissen. Dennis unterscheidet dabei zwischen drei grundlegenden Formen des Widerstands: dem kognitiven Widerstand („Ich verstehe das nicht“), dem emotionalen Widerstand („Ich mag das nicht“) und dem Beziehungswiderstand („Ich mag dich nicht“). Diese Differenzierung hilft dabei, Widerstand nicht als Störfaktor, sondern als wichtigen Hinweis für notwendige Klärungen und Dialoge zu verstehen.

Multiplikator:innen im Veränderungsprozess

Im zweiten Teil der Veranstaltung stellte Bianca Kowaschitz den Einsatz von Multiplikator:innen als zentrale Strategie im Umgang mit Widerstand vor und brachte dabei ihre Expertise aus der Personalentwicklung ein.

Multiplikator:innen könnten als interne Botschafter:innen des Wandels betrachtet werden. Um die Bedeutung von Multiplikator:innen zu veranschaulichen, nutzte Bianca eine eingehende Metapher: Stellen Sie sich vor, ein neues Lied kommt ins Radio. Je mehr Radiostationen es spielen, desto schneller und breiter verbreitet es sich. Je größer die Reichweite des Radiosenders ist, umso höher ist die Chance, dass es zum Nummer-eins-Hits wird. Genauso funktionieren Multiplikator:innen in Change-Projekten: als Beschleuniger der Akzeptanzförderung und zum Widerstandsabbau.

Erfolgreiche Multiplikator:innen zeichnen sich durch Kommunikationsstärke, Empathie, Durchhaltevermögen, Mut und Engagement aus. Sie genießen das Vertrauen ihrer Kolleg:innen, sind gut vernetzt und können Veränderungen glaubwürdig kommunizieren.

Multiplikator:innen im Veränderungsprozess
Methoden zur Identifikation von Multiplikator:innen
  • Peer-Befragungen
  • Stakeholder-Analysen
  • Selbstnominierung
  • Beobachtung informeller Netzwerke
Best Practices: Multiplikator:innen im Einsatz

Ein entscheidender Erfolgsfaktor für wirksame Veränderung ist Effizienz – vor allem für große Organisationen. Doch wie gelingt es, zentrale Botschaften zu vermitteln, wenn man nicht überall gleichzeitig sein kann? Das mag bei kleinen Unternehmen funktionieren, aber wie eine Kollegin aus dem Publikum berichtete, ist es bei hunderten Mitarbeitenden fast unmöglich, jeden einzelnen abzuholen. Dazu braucht es effiziente und kluge Kommunikationsstrategien. Und genau hier kommen Multiplikator:innen ins Spiel. Sie werden zu internen Meinungsmacher:innen, die vorleben, dass die Veränderung funktioniert.

Der intensive Austausch im Plenum und in Kleingruppen brachte wertvolle Erkenntnisse aus verschiedenen Bereichen wie dem öffentlichen Dienst, der IT und dem Personalwesen zusammen. Darauf aufbauend erarbeiteten wir gemeinsam fünf zentrale Erfolgsfaktoren für den Einsatz von Multiplikator:innen:

  • Frühe Einbindung – schon vor dem offiziellen Projektstart
  • Klare Rollenbilder – mit Spielräumen und Verantwortlichkeiten
  • Qualifizierung & Coaching – Change-Verständnis und Methoden vermitteln
  • Kontinuierlicher Dialog – Feedbackrunden, Sounding Boards, Updates
  • Sichtbarkeit & Anerkennung – durch Titel, Management-Beteiligung, interne Kommunikation

Fazit: Widerstand als Chance begreifen

Der Abend war geprägt von offenem Austausch, klarem Blick auf das Unbequeme und der Suche nach echter Veränderung. Widerstand im Change-Prozess zeigt, wo es hapert, aber auch, wo Energie verborgen liegt. Wer bereit ist, zuzuhören, kann Widerstand als Antriebsmotor für Veränderung und Fortschritt verwenden.

Ein besonders eindrucksvolles Praxisbeispiel untermauerte diese zentrale Erkenntnis: Ein Reorganisationsprojekt, das zunächst durch massiven Widerstand zu scheitern drohte, wurde durch die systematische Einbindung der Kritiker:innen nicht nur gerettet, sondern maßgeblich verbessert.

Die Moral von der Geschichte? „Die größten Kritiker:innen hatten die wertvollsten Einwände – sie kannten die Schwachstellen am besten." Eine Lektion, die zeigt, dass Widerstand nicht der Feind des Wandels, sondern oft sein wertvollster Verbündeter ist.

Unsere Empfehlungen für die Praxis:

Unsere Empfehlungen für die Praxis:

  • Widerstände kartieren und herausfinden, wo die Energie im System liegt
  • Kritische Stimmen einbinden durch aktives Zuhören und Dialog
  • Multiplikator:innen identifizieren – wer ist glaubwürdig und gut vernetzt?
  • Praxisnahe Formate etablieren wie Energietransfer-Workshops
  • Perspektivenwerkstätten und Widerstandsdialoge einführen
  • Feedbackkultur fördern durch kontinuierliche Reflexion auf Augenhöhe

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Grafik Team Rationale und emotionale Balance